(Interview anläßlich unseres Frühjahrslaufs am 26.3.2016)

LAV : Frau Nasse-Meyfarth, sie kommen Ende März nach Bonn, um die Läufer des traditionellen Godesberger Frühjahrslaufs auf die Strecke zu bringen, sprich – den Startschuß zu geben.

Nasse-Meyfarth:  Ich komme gerne nach Bonn zur LAV, die sich mit einer großen Schülerabteilung  für die Förderung des Nachwuchses einsetzt.. Leider ruht die sportliche Ertüchtigung von Kindern und Jugendlichen heutzutage hauptsächlich auf den Schultern der  Vereine, nachdem die Schulen dieser Aufgabe nur noch unzureichend nachkommen.

LAV: Sie sind eine Ikone der Leichtathletik: Neben zwei Olympiasiegen und Weltrekorden stehen nationale Auszeichnungen wie Sportlerin des Jahres (mehrfach), Bambiverleihung, Rudolf-Harbig-Gedächtnispreis usw. In Wesseling ist das große Leichtathletik-Stadion nach Ihnen benannt. Mit ihrer Bestleistung von 2,03m würden sie heute noch den internationalen Frauenhochsprung aufmischen. Sie haben „alles“ erreicht und könnten sich mit Anfang 60 doch zur Ruhe setzen….

 Nasse-Meyfarth: Zur Ruhe setzen ist nicht. Ich bin mir darüber im Klaren, dass ich dem Sport sehr viel zu verdanken habe. Einiges kann ich vielleicht zurückgeben. Daran arbeite ich.

 LAV:In welcher Form?

Nasse-Meyfarth: Ich habe lange Zeit an Leverkusens Schulen Talente gesichtet. Heute arbeite ich in unserem Trainer- Team als Trainerin des TSV Bayer 04 Leverkusen mit Schülerinnen und Schülern. Hier hab ich die Möglichkeit, mein Wissen und meine Erfahrungen weiterzugeben.

LAV: Apropos Talent : Sie haben zwei Töchter. Wandern die auf Ihren Spuren ?

Nasse-Meyfarth: Die beiden sind keine ambitionierten Leichtathleten geworden. Dabei hat mein Mann u.a. als erfolgreicher Handballspieler sein sportliches Potential unter Beweis gestellt. Man könnte also meinen, unsere gemeinsamen Kinder hätten die besten genetischen Voraussetzungen für eine sportliche Karriere. Das ist zu einfach gedacht, denn bei aller Begabung – man muss den Weg auch gehen wollen. Meine Töchter wollten diesen Weg nicht gehen.

LAV: Ich erinnere mich, dass nach Ihrem Olympiasieg 1984 in Los Angeles – gleichzeitig wurde zu der Zeit der Amateurstatus aufgehoben – Sie einen ersten Werbevertrag mit einem Damenstrumpfhersteller schließen konnten. Im Vergleich zu damals sicherlich zu eher bescheidenen Konditionen, wenn man an die heutigen Gagen eines Usain Bolt denkt…

Nasse-Meyfarth: Die Professionalisierung des Leistungssports ist einhergegangen mit einer Kommerzialisierung, die oft Rahmen zu sprengen scheint.  Dabei ist die Leichtathletik wie andere Olympische Sportarten eher im unteren Mittelfeld der Geldlisten zu finden.

LAV: Der Internationale Leichtathletikverbandes IAAF hatte Sie vor den Spielen von Rio in die Hall of Fame aufnehmen wollen. Warum haben Sie  Aufnahme verweigert?

Nasse-Meyfarth: Ich werfe den Funktionären in der Vorstandsetage der IAAF vor, jeden Kredit unserer schönen Sportart zu verspielen: der ehemalige Präsident Lame Diack steht für Vetternwirtschaft, Korruption und mangelhafte Dopingbekämpfung. Es wird sich zeigen, ob sein Nachfolger, Lord Sebastian Coe, dem ein Ende bereiten kann.

LAV: Wie man so sagt, erkennt man den wahren Athleten daran, dass er nicht nur die Höhe im Erfolg genießen kann, sondern es auch schafft, die Täler der Erfolglosigkeit zu bewältigen…

Nasse-Meyfarth: Ja. Sieg und Niederlage sind Seiten derselben Medaille. Mein erster Olympiasieg mit 16 Jahren ist mir in den Schoß gefallen. Danach ging es keineswegs weiter in die Höhe. Im Gegenteil – 1976 hatte ich bei den olympischen Spielen in Montreal einen Tiefpunkt erreicht, verbunden mit einem Wegfall der Olympiaförderung. Mit meinem neuen Trainer, Gerd Osenberg, kam die Wende. Die Bundesrepublik boykottierte die Olympiade 1980 in Moskau. Es gelang uns aber, erfolgreich bis zu den darauffolgenden Spielen weiter zu arbeiten, was dann mit dem zweiten olympischen Gold in Los Angeles 1984 belohnt wurde – 12 Jahre nach dem von München. Der erste Olympiasieg ist mir zugefallen. Wie ein unverdientes Geschenk. Die späteren Erfolge habe ich mir erarbeitet. Ich war wohl talentiert, hatte aber auch das Glück, an den richtigen Trainer zu geraten

LAV: Der Sport ist auch eine soziale Veranstaltung…

Nasse-Meyfarth: Ich stimme Ihnen gerne zu. Neben meinem täglichen Trainer-Engagement für die Schülerinnen und Schüler in unserem Verein, bin ich auch für  nationale und internationale Gremien unterwegs, z.B.: für das IOC, die IAAF, für  die Stiftung Deutsche Sporthilfe und für die Sportstiftung NRW.

LAV: Sie sind Jahrgang 1956 Nach langen Jahren eines sicherlich belastenden Leistungssports sind Sie – wenn ich das so sagen darf – eine beeindruckende Gestalt geblieben, der man ihr Alter nicht ansieht. Was tun Sie, um in Form zu bleiben?

Nasse-Meyfarth: Es gibt kein Geheimrezept. Ich steige regelmäßig aufs Fahrrad, jogge und halte mich durch Gymnastik beweglich. Was Sie vielleicht überraschen wird – ich gehe zusätzlich 2 x die Woche in den Kraftraum.

LAV: Frau Nasse-Meyfarth, vielen Dank für das Gespräch und Willkommen in Bad Godesberg.